Project Stryker: Vom Nachtclub zur E-Sport-Schaltzentrale

Project Stryker: Vom Nachtclub zur E-Sport-Schaltzentrale
Foto: Riot Games sieht sein Project Stryker als «The Future of Sport». / Foto: Niklas Graeber/dpa

Riot Games' "Project Stryker": Zentrale E-Sport-Übertragungen Dublin

Egal ob das LEC-Studio in Berlin, der LoL Park im koreanischen Seoul oder Hallen in der ganzen Welt: E-Sport-Fans kennen die Orte, in denen Riot Games die eigenen Turniere in den Diszplinen «League of Legends» oder «Valorant» austrägt. Weniger bekannt ist jedoch ein Gebäude im Norden der irischen Hauptstadt Dublin, in dem sich das Unternehmen Mitte 2022 niedergelassen hat.

Hinter einer unscheinbaren Fassade verbirgt sich der Dreh- und Angelpunkt der internationalen E-Sport-Übertragungen. Einen verlassenen Nachtclub im Vorort Swords hat Riot in sechs Monaten in «Project Stryker» umgebaut. Geblieben ist eine gigantische Discokugel über der ehemaligen Tanzfläche, während in den früheren VIP-Räumen Regie und Meetings stattfinden.

Nach Riots Angaben kostete das Projekt rund 15 Millionen Euro. Auf knapp 4500 Quadratmetern ist von Regie und Ton bis hin zu Observern - also den Menschen, die den Bildausschnitt im Spiel kontrollieren - beinahe die ganze Produktion unter einem Dach vereint.

Riot Games setzt auf Irland mit «Project Stryker»

Wo sich Spieler und Publikum eigentlich befinden, spielt dabei keine Rolle mehr. Selbst aus dem knapp 9000 Kilometer entfernten São Paulo, wo vor kurzem das Valorant-Turnier «Lock//In» stattfand, wurden alle Signale einzeln zur Produktion nach Dublin übertragen.

«Oft ist die Remote-Produktion negativ konnotiert - dass es eine große Verzögerung gebe und man vor Ort sein müsse. Aber für die Regie macht das keinen Unterschied», sagt Alex Rybalko, der den Standort als Engineer-in-Charge leitet.

Selbst bei großen Distanzen zwischen Veranstaltungsort und Produktion hält sich die Verzögerung in Grenzen. Kameras und Netzwerkausrüstung werden von Irland aus an den Veranstaltungsort verschickt. Über Riots eigenes Netzwerk, das auch die Server der eigenen Spiele trägt, benötigen die Signale nur Sekundenbruchteile.

Komplette Steuerung der Übertragungen aus Dublin

Mit der Produktion aus der Ferne wolle Riot die Arbeitsabläufe vor allem einfacher machen. Statt viele Techniker durch die ganze Welt reisen zu lassen, können diese einfach jeden Spieltag wie gewohnt zur Arbeit pendeln. Viel ändere sich ansonsten nicht.

«Der Sinn ist nicht, etwas kaputt zu machen, das wir über Jahre aufgebaut haben», sagt Rybalko. «Es ist nur ein effizienterer Weg. Nur weil wir Leute hier und in São Paulo haben, müssen wir nichts dramatisch ändern.»

Über ein nahegelegenes Datenzentrum laufen alle Signale in den Regieräumen zusammen. Auf den vielen Bildschirmen sind hier alle Kameras, Grafiken und Spielansichten auf einen Blick zu sehen. Selbst der Teleprompter der Analyseecke wird von Dublin aus gesteuert.

Welches Bild gerade auf dem Stream zu sehen ist, entscheiden die Übertragungstechniker per Knopfdruck. Besonders hektisch wird das etwa beim Einlauf der Spieler in die Arena, wo alle paar Sekunden das Kommando für eine neue Ansicht fällt. Aktuelle Sofortwiederholungen und Statistiken liefert ständig ein Team in der ersten Etage zu.

Irland gewinnt Standortsuche klar

Das nicht unbedingt für E-Sport bekannte Irland sei für Riot eine logische Wahl gewesen. Eine Beratungsfirma habe anhand von Kriterien wie Infrastruktur, wirtschaftlichen Bedingungen oder der Anzahl an Fachkräften eine Auswahl erstellt. «Für die europäische Zeitzone stand Dublin immer an der Spitze», sagt Allyson Gormley, General Manager des Projekts.

So seien dank der vielen Technologieunternehmen vor Ort die globalen Netzverbindungen in Dublin besonders stark. Auch Riots europäischer Hauptsitz in Irland habe in der Corona-Pandemie geholfen. «Wir hatten in Amsterdam oder Madrid keinen Sitz. In Dublin konnte ich dagegen selbst während der Pandemie passende Orte besichtigen», sagt Gormley.

Auch Berliner Valorant-Liga kommt aus Dublin

Obwohl sich am Regiebetrieb abgesehen vom Standort nur wenig ändert, ist Riot betont stolz auf das eigene Großprojekt. Ein Spruch an der Wand des Foyers spricht von «The Future of Sport», wobei der Buchstabe E vor dem Sport mit Absicht fehlt. «Es ist nicht nur die Zukunft des E-Sports, sondern etwas, auf das die ganze Industrie schauen wird. Es ist so neu und innovativ», sagt Rybalko.

Die Produktion aus der Ferne ist auch woanders schon Praxis: Großveranstaltungen wie die Fußball-WM in Katar haben auch ARD und ZDF ebenfalls aus der Distanz produziert.

Probleme bei Übertragung der Valorant-Liga

Wie bereits das Lock//In-Turnier wird auch die europäische Valorant-Liga in Irland produziert. Auf dem Berliner Messegelände befinden sich neben Spielern und Kommentatoren nur noch Kameras, die ihre Signale auf direktem Weg Richtung Irland einspeisen.

Hier kam es an den ersten Tagen der Übertragung auch zu Problemen - wobei Riot in einem Statement nicht mitteilt, ob diese auf den Remote-Standort in Dublin zurückgehen. Man sei aber von den «langfristigen Vorteilen unseres Remote-Produktionsmodells sowie der dahinter stehenden Technologie überzeugt», heißt es.

Ein weiteres «Projekt Stryker» für Turniere in Nord- und Südamerika entsteht im US-amerikanischen Seattle. Das soll Dublin entlasten, wo Riot die vorhandenen Kapazitäten bis zum Ende des Jahres voll ausnutzen will. Aus derzeit 45 Angestellten sollen dann mehr als 150 werden, die gleichzeitig stattfindende Events steuern sollen.

«Es hat sich vom ersten Tag in etwas entwickelt, das immer noch seine Räder ölt und gerade erst am Anfang steht», sagt Gormley. «Es ist spannend, davon ein Teil zu sein.»

Copyright 2023, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten